Zusammenfassung des Urteils Nr. 51/2000/27: Obergericht
Der Kläger hat Beschwerde gegen die Verfügung des Einzelgerichts Audienz am Bezirksgericht Zürich vom 25. Juli 2011 erhoben, die auf sein Begehren um Vollstreckbarerklärung nicht eingetreten ist. Das Obergericht des Kantons Zürich hat die Beschwerde abgewiesen und die Kosten dem Kläger auferlegt. Die Gerichtskosten betragen CHF 600.--. Die Entscheidungsgebühr für das zweitinstanzliche Verfahren wird auf Fr. 600.-- festgesetzt. Der Beklagte erhält keine Parteientschädigung. Der Richter ist Dr. R. Klopfer.
Kanton: | SH |
Fallnummer: | Nr. 51/2000/27 |
Instanz: | Obergericht |
Abteilung: | - |
Datum: | 10.11.2000 |
Rechtskraft: | - |
Leitsatz/Stichwort: | Art. 10 BV; Art. 6 Ziff. 3 lit. b EMRK; Art. 165 StPO; § 32 GefV. Besuchsbewilligung für einen durch die Verteidigung beigezogenen psychiatrischen Facharzt |
Schlagwörter : | Besuch; Verteidigung; Verteidiger; Untersuchung; Facharzt; Kanton; Recht; Gespräch; Beschwerdeführers; Angeklagten; Gefängnis; Kantons; Besuchsbewilligung; Entscheid; Verkehr; Beschuldigten; Kantonsgericht; Gesuch; Obergericht; Schaffhausen; Hilfspersonen; Vorbereitung; Beurteilung; Gespräche; Besuche |
Rechtsnorm: | Art. 10 BV ;Art. 165 StPO ;Art. 6 EMRK ; |
Referenz BGE: | 102 Ia 299; 102 Ia 302; 105 Ia 379; |
Kommentar: | Andreas Donatsch, Schmid, Kommentar zur Strafprozessordnung des Kantons Zürich, Zürich, 1996 Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017 |
Ein Anspruch auf unbeaufsichtigten mündlichen Verkehr mit einem inhaftierten Beschuldigten steht nur dem im Kanton Schaffhausen als Rechtsanwalt zugelassenen Verteidiger, nicht aber dessen Hilfspersonen zu (E. 2d).
Ist der Verteidiger für die Vorbereitung der Verteidigung bzw. zur Festlegung der Verteidigungsstrategie glaubhaft auf eine fachmännische Beurteilung angewiesen, so ist ein zeitlich angemessen befristeter und überwachter Besuch des von der Verteidigung beigezogenen psychiatrischen Facharzts zu ermöglichen. Nötigenfalls ist mit der Überwachung eine Person zu beauftragen, welche das dadurch erworbene Wissen im Strafverfahren nicht verwerten kann (E. 2e).
X. befindet sich in Untersuchungshaft. Nach der Anklageerhebung teilte der Verteidiger von X. dem Kantonsgericht mit, er habe zur Vorbereitung der Verteidigung den psychiatrischen Facharzt Y. mit der Erstellung eines Privatgutachtens über den Angeklagten beauftragt und stelle zu diesem Zweck das Gesuch, es sei diesem Facharzt eine Bewilligung zum Besuch des Angeklagten für mehrere persönliche Gespräche zu erteilen. Das Kantonsgericht wies das Gesuch ab und teilte dem Verteidiger mit, es stehe ihm frei, einen Beweisergänzungsantrag im Hinblick auf eine gerichtliche Begutachtung des Angeklagten zu stellen. Eine gegen diesen Entscheid gerichtete Beschwerde wies das Obergericht im Sinn der nachfolgenden Erwägungen ab.
Aus den Erwägungen:
2.a) Umstritten ist vorliegend die Frage der Bewilligung für einen Besuch des Beschwerdeführers durch PD Dr. med. Y., Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, welcher mit dem Beschwerdeführer mehrere persönliche
1 Auf eine staatsrechtliche Beschwerde gegen diesen Entscheid trat das Bundesgericht am 23. Januar 2001 nicht ein.
Gespräche führen möchte, um zuhanden des Verteidigers ein Gutachten über den Angeklagten zu verfassen.
...
Alle Kontakte zwischen dem inhaftierten Beschuldigten und anderen Personen bedürfen der Bewilligung des Verfahrensleiters, der die zur Verhütung von Missbräuchen erforderlichen Anordnungen trifft (Art. 165 Abs. 1 der Strafprozessordnung für den Kanton Schaffhausen vom 15. Dezember 1986 [StPO, SHR 320.100]). Besondere Regeln bestehen sodann für den mündlichen und schriftlichen Verkehr des Beschuldigten mit dem zugelassenen Verteidiger. Dieser ist nämlich jederzeit zu bewilligen, doch kann bis zum Abschluss der Untersuchung eine Überwachung angeordnet werden (Art. 165 Abs. 2 StPO). Nach der ersten einlässlichen Einvernahme durch den Untersuchungsrichter, jedenfalls aber nach Ablauf von 15 Tagen seit Erlass der Haftverfügung, dürfen Besprechungen und Korrespondenzen zwischen dem Beschuldigten und seinem im Kanton Schaffhausen als Rechtsanwalt zugelassenen Verteidiger inhaltlich grundsätzlich nicht mehr kontrolliert werden (Art. 165 Abs. 3 StPO).
Wie sich aus diesen Vorschriften ergibt, hat grundsätzlich auch ein Untersuchungsgefangener das Recht, Besuche zu empfangen. Dieses Recht ist namentlich durch das Grundrecht der persönlichen Freiheit geschützt (Art. 10 der Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 [BV, SR 101]). Das Besuchsrecht eines inhaftierten Beschuldigten darf aber aufgrund der dargelegten Vorschriften insoweit eingeschränkt werden, als es darum geht, die Ordnung im Gefängnis aufrechtzuerhalten und zu verhindern, dass sich die durch die Haftgründe umschriebenen Gefahren verwirklichen können (vgl. dazu Andreas Donatsch, in: Donatsch/Schmid [Hrsg.], Kommentar zur Strafprozessordnung des Kantons Zürich, Zürich 1996 ff., Stand März 1996, § 71 N. 36 ff., mit Hinweisen). Aus diesem Grund müssen Besuche durch den Verfahrensleiter bewilligt werden, welcher die zur Verhütung von Missbräuchen erforderlichen Anordnungen trifft (Art. 165 Abs. 1 StPO). Anzahl und Dauer der Besuche dürfen sodann aus Gründen der Anstaltsordnung beschränkt werden (vgl. § 32 der Verordnung betreffend das kantonale Gefängnis vom 23. August 1988 [GefV, SHR 341.201] und § 29 der Hausordnung für das kantonale Gefängnis vom 1. September 1988 [GefO, SHR 341.202]). Im Interesse der mit der Untersuchungshaft verfolgten Ziele und der Aufrechterhaltung der Gefängnisordnung werden die Besuche sodann grundsätzlich überwacht (vgl. § 32 Abs. 2 GefV und § 29 Abs. 2 GefO; ...). Eine besondere Regelung besteht zur Wahrung der Verteidigungsrechte lediglich für den Verkehr mit dem Verteidiger. Dieser ist umfangmässig grundsätz-
lich nicht beschränkt (Art. 165 Abs. 2 StPO) und darf sofern es sich um einen im Kanton Schaffhausen zugelassenen Rechtsanwalt handelt, welcher der besonderen Aufsicht durch das Obergericht untersteht (vgl. § 15 ff. des Anwaltsdekrets vom 30. Juni 1930 [AD, SHR 173.810]) bereits ab einem frühen Stadium des Untersuchungsverfahrens inhaltlich nicht mehr kontrolliert werden (Art. 165 Abs. 3 StPO).
Im vorliegenden Fall geht es nicht um den Besuch eines mit dem Beschwerdeführer persönlich Bekannten, sondern um den Besuch eines psychiatrischen Facharzts, der über Lebensentwicklung und Persönlichkeit des Beschwerdeführer ein privates psychiatrisches Fachgutachten erstellen soll und daher mit diesem mehrere persönliche Gespräche führen möchte. Der Beschwerdeführer begründet das Gesuch um Besuchsbewilligung damit, die Erstellung eines entsprechenden Privatgutachtens sei zur Gewährleistung einer effizienten Verteidigung im Sinn von Art. 6 Ziff. 3 lit. b der europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 (EMRK, SR 0.101) erforderlich. Es geht somit nicht um eine persönliche Beratung und Betreuung des Beschwerdeführers durch eine medizinische Fachperson, hinsichtlich welcher Frage das Bundesgericht bereits in verschiedenen Entscheiden festgehalten hat, für eine entsprechende Betreuung stehe den Untersuchungshäftlingen primär das medizinische Fachpersonal des Gefängnisses zur Verfügung (vgl. BGE 102 Ia 299 ff. betreffend psychologische Betreuung und BGE 102 Ia 302 ff. betreffend medizinische Betreuung). Vielmehr beruft sich der Beschwerdeführer auf seine Verteidigungsrechte und macht geltend, es müsse für die Vorbereitung einer wirksamen Verteidigung bzw. für die Suche nach entlastenden Tatsachen möglich sein, das Gutachten eines privaten Facharztes einzuholen, was ja in Freiheit ohne weiteres möglich wäre.
Soweit ein Anspruch auf unüberwachte persönliche Gespräche zwischen dem Beschwerdeführer und dem beigezogenen Facharzt geltend gemacht wird, hat das Kantonsgericht zu Recht darauf hingewiesen, dass ein unbeaufsichtigter mündlicher Verkehr mit einem Untersuchungshäftling nur für den Verteidiger selber vorgesehen ist, der für diese Aufgabe besonders ausgebildet ist und wie erwähnt einer besonderen Aufsicht des Obergerichts untersteht. Das Bundesgericht hat in BGE 105 Ia 379 ff. festgehalten, es bedeute weder eine Verletzung des Grundrechts der persönlichen Freiheit noch der Europäischen Menschenrechtskonvention, insbesondere der sich aus Art. 6 EMRK ergebenden Verteidigungsrechte, wenn das Recht des unbeaufsichtigten Verkehrs mit einem Untersuchungsgefangenen nur dem Verteidiger selber, nicht aber dessen Hilfspersonen gewährt werde, zumal die bei zugelas-
senen Rechtsanwälten bestehenden Garantien für die Verhinderung von Missbräuchen bei deren Hilfspersonen nicht in gleicher Weise bestünden und Vertrauensverletzungen durch Hilfspersonen im Prinzip nur nachträglich geahndet werden könnten (vgl. die sinngemässe Zustimmung durch den Verweis auf diesen Entscheid bei Theo Vogler in: Internationaler Kommentar zur Europäischen Menschenrechtskonvention, Köln/Berlin/Bonn/München 1986, Art. 6 Rz. 481 bei Fn. 5, S. 186).
Im vorliegenden Fall geht es allerdings insofern um einen Spezialfall, als der Verteidiger des Beschwerdeführers zumindest sinngemäss geltend macht, er sei zur Vorbereitung der Verteidigung bzw. zur Festlegung einer Verteidigungsstrategie mangels eigenen Fachwissens auf eine fachärztliche Beurteilung angewiesen. Dem Anliegen des Beschwerdeführers kann insoweit eine gewisse Berechtigung nicht abgesprochen werden, zumal das dem Beschwerdeführer in der Anklage zur Last gelegte Verhalten aussergewöhnlich ist und eine allfällige gerichtliche Begutachtung, welche zuerst noch angeordnet werden müsste, diesen Zweck (Festlegung der Verteidigungsstrategie) kaum zu erfüllen vermöchte. Freilich ist es hiefür nicht erforderlich, dass über den Beschwerdeführer ein eigentliches Privatgutachten erstellt wird. Insoweit hat das Kantonsgericht die beantragte, sehr weitgehende Besuchsbewilligung zu Recht abgewiesen. Es müsste vielmehr eine summarische fachärztliche Beurteilung genügen, wobei der Verteidiger dem beigezogenen Experten im Einverständnis des Beschwerdeführers ja auch Einblick in die vorhandenen Verfahrensakten gewähren kann. Auch eine solche summarische Beurteilung erfordert aber wohl ein persönliches Gespräch mit dem Angeklagten. Soweit ein solches überwacht werden könnte, stünde einer entsprechenden, zeitlich angemessen befristeten Besuchsbewilligung im Rahmen der geltenden Besuchsordnung nach Auffassung des Obergerichts grundsätzlich nichts entgegen. Heikler wäre es, wenn der Beschwerdeführer bzw. der beigezogene Experte auf einem unüberwachten Gespräch beharren würden. Einem solchen unüberwachten Gespräch stünde insbesondere im Fall des Beschwerdeführers, der sich wegen ausgeprägter Kollusionsgefahr in Haft befindet, der Zweck der Untersuchungshaft und die dargelegte Regelung von Art. 165 StPO grundsätzlich entgegen, zumal eine allenfalls auch unbeabsichtigte - Beeinflussung des Beschwerdeführers durch den beigezogenen Facharzt nicht ausgeschlossen werden kann (vgl. zur Gefahr der Beeinflussung des Angeklagten durch eine anstaltsfremde Fachperson insbesondere im Fall einer bevorstehenden psychiatrischen Untersuchung, welche auch im vorliegenden Fall noch angeordnet werden könnte, BGE 102 Ia 302). Denkbar wäre daher höchstens, dass für die Überwachung des Gesprächs mit dem beigezogenen Facharzt eine Person beauftragt würde, die das dadurch erworbene Wissen im
Strafverfahren gegen den Beschwerdeführer nicht verwerten könnte. In Frage käme z.B. der ebenfalls dem Arztgeheimnis unterstellte Gefängnispsychiater (vgl. zu einem ähnlichen Vorgehen auch OGE vom 24. September 1993 i.S. T., E. 2c aa, Amtsbericht 1993, S. 167 f., betreffend Kontrolle der Verteidigerpost).
Zusammenfassend ergibt sich, dass das Kantonsgericht das Gesuch um Besuchsbewilligung in der vorliegenden, eher unbestimmten und weitgehenden Form zu Recht abgewiesen hat. Das Gesuch müsste allenfalls in einer modifizierten Form neu gestellt werden. Insoweit ist die Beschwerde im Sinn der Erwägungen abzuweisen.
Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.
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